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Wissenschaft von Schrott unterscheiden

Gut informiert

In Zeiten des Internet ist der Zugang zu Informationen kein Engpass mehr. Ganz im Gegenteil werden wir überschwemmt mit Informationen und Daten aller Art.  Die Kunst ist nicht mehr, sich Informationen zu beschaffen, sondern diese zu filtern.

Nach welchen Kriterien sollte man Informationen filtern?

Expertise vs. Eigeninteressen

Ein Dokument ist dann zu empfehlen, wenn es von einem Autor verfasst wurde, der keine eigenen Interessen zum Thema hat, und der selbst ein Spezialist auf dem Gebiet ist.

Diagramm welches Expertise gegen Interesse aufzeichnet. Hohe Expertise und neutrales Interesse ist der Bereicht, in dem man sich informieren sollte.
Expertise vs. Interesse

 

Expertise und Reputation

Je größer die Expertise des Autors, umso besser.

Die Expertise des Autors kann man teils an seiner Ausbilung und beruflichen Tätigkeit erkennen, teils an seiner Ausdrucksweise und der Art zu erklären, zu argumentieren und Aussagen zu belegen. Je mehr Expertise man selbst hat, umso einfacher kann man die Expertise Anderer beurteilen. Wer Experte in einem anderen Themenbereich ist, kann ebenfalls einfacher identifizieren, wer Experte in dem gesuchten Gebiet ist, da die Art zu recherchieren, zu argumentieren und zu belegen bereichsübergreifend ähnlich funktioniert. Dies macht das Filtern für Laien leider schwieriger. Hier bietet sich ein gestaffeltes Vorgehen an: Quellen mehr glauben, für die man mehr persönliche Referenzen findet. Deren Referenzen wiederum nutzen um weitere Quellen zu finden.

Als weiteres Kriterium bietet sich an das Medium zu prüfen, in welchem man die Information findet. Wie leicht ist es, Schrott in diesem Medium zu publizieren?

Beliebiger Schrott publizierbar:

  • Youtube
  • Facebook
  • Private Webseiten

Gelegentlich Schrott publizierbar, abhängig von der Qualifikation und Interessenlage des Redakteurs:

  • Populäre Zeitschriften
  • Tageszeitungen

Selten Schrott publizierbar, höhere Qualifikation des Redakteurs zu unterstellen:

  • Zeitschriften hoher Reputation
  • Einschlägige Fachzeitschriften

Fundierte Artikel zu erwarten:

  • Fachzeitschriften mit Peer-Review
  • Offizielle Gremien zum Verarbeiten des Standes der Wissenschaft.

Leider ist diese Liste weder vollständig, noch bedingungslos richtig. Es kann reputationsstarke Magazine geben, die einen sachlich falschen Artikel veröffentlichen, wohingegen ein privater Blog oder ein Youtube Video eine sachlich einwandfreie und gut recherchierte Berichterstattung leisten kann. Es gibt sogar historische Belege von Institutionen und Fachzeitschriften, die nur gegründet wurden, um die Wahrheit zu verschleiern (1). Eine solche Hierarchie ist daher nur ein erster Anhaltspunkt.

Interesse = Glaubwürdigkeit

Je neutraler die Interessenlage des Autors, umso besser. Ein Autor, der eigene Interessen daran hat, die Wahrheit zu verschleiern, sollte nicht als Erkenntnisquelle genutzt werden. Ein Autor, der eigene Interessen daran hat, die Erkenntnisse um die es geht zu verbreiten, sollte vorsichtig gelesen werden.

Der ideale Wissenschaftler vertritt keine eigenen Interessen, sondern verschreibt sich ganz der Aufgabe, einen Themenbereicht zu erforschen, und den Stand der Wissenschaft um neue Erkenntnisse zu bereichern.

Das Mythos des wissenschaftlichen Beweises

Ein interessantes Erkennungsmerkmal ist die Nutzung des Ausdrucks des “wissenschaftlichen Beweises“.

Da eine strenge Beweisführung in den Naturwissenschaften grundsätzlich nicht möglich ist, wird mit Belegen gearbeitet, die bestimmte Theorien unterstützen. Der Begriff des wissenschaftlichen Beweises wird hauptsächlich von Laien verwendet.

Wissenschaftsleugner verwenden mit Vorliebe den Verweis auf den vorgeblich fehlenden wissenschaftlichen Beweis, um Zweifel am Stand der Wissenschaft zu streuen, und alternative, oft hanebüchene Erklärungsansätze anzuführen. “Der Stand der Wissenschaft ist nicht bewiesen, die abwegige Theorie ist auch nicht bewiesen, daher sind beide Thesen gleichwertig” ist dabei der Argumentationsstrang. Dass die abwegige Theorie kaum belegt ist und von keinem Experten unterstützt wird, der Stand der Wissenschaft jedoch solide belegt ist und von der Mehrheit der Experten unterstützt wird, wird dabei nicht erwähnt.

Die Fehlkonzeption der wissenschaftlichen Diskussion

Als Laie nimmt man Diskussionen wahr, die es in wissenschaftlichen Kreisen gar nicht gibt.

Der Grund dafür ist, dass Wissenschaftler in Fachzeitschriften kommunizieren, die für Laien weder zugänglich noch verständlich sind.

Massenmedien bieten jedoch sowohl Wissenschaftlern als auch Laien gleichermaßen Raum, Aussagen zu veröffentlichen. Wenn dann die Aussagen von Experten und Laien aufeinandertreffen, ist das zwar Schrott aus wissenschaftlicher Sicht, aber es erscheint wie eine Diskussion aus Sicht des Laien. Auch dann, wenn die rein wissenschaftliche Diskussion gar nicht existiert, weil ein ausgeprägter Stand der Wissenschaft mit wissenschaftlichem Konsens vorliegt.

Dies zu erkennen erfordert ein gewisses Maß an Beschäftigung mit dem Thema. Diesen Aufwand ist leider nicht jeder bereit zu betreiben.

Gut finanzierte Lobbyarbeiten erschwert das Filtern

Insbesondere am Beispiel der Tabakwissenschaft (1) wird erkennbar, dass bei ausreichend gut finanzierten und zielstrebigen Industrien die hier erwähnten Filterkriterien im Zweifel nicht mehr einfach zu nutzen sind. Sobald wissenschaftliche Institutionen ausschließlich mit dem Ziel gegründet werden Zweifel zu streuen, ist intensive Detektivarbeit notwendig, um die Strukturen zu durchschauen. Buchempfehlung: Naomi Oreskes / Erik Conway: Die Machiavellis der Wissenschaft – das Netzwerk des Leugnens, ISBN 978-3527412112.

(1) http://legacy.library.ucsf.edu – Datenbank aus den Verfahren gegen die Tabakindustrie aus den 1990er Jahren.